Karate in Japan – Ein kleiner Reisebericht

Konichi-wa (Guten Tag)

Vom 21. März bis 02. April 2016 besuchte eine kleine Gruppe Karateka (Trainer Pietro Sgura, Sophia Sgura, Gina Krings, Olaf Müller und Cordula Büttgen) des TuS Roisdorf die alte Kaiserstadt Kyoto in Japan. Hier liegt die Wiege der Stilrichtung Inyo Ryu Kenpo Karate Jyutsu Do die 1963 von Ryuso Professor Seiji Hirayama gegründet wurde.

Auf Einladung seines Sohnes, des heutigen Großmeisters Souke Hiruyuki Inagaki, wohnten wir als Gäste aus Deutschland für 12 Tage im Inyoryu Stammhaus (japanisch: Honbu Dojo)

 

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Honbu Dojo

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Olaf, Gina, Cordula, Sophia und Pietro        

 

Die rund 18 Stunden dauernde Reise führte zunächst per Flugzeug von Düsseldorf nach Helsinki und dann weiter mit einem A330 der Finnair nach Osaka. Anschließend brachte uns ein Sammeltaxi vom Osaka Kensai Airport nach Kyoto Iwakura, wo wir sehr freundlich von Yuki (Trainerin) empfangen wurde Bereits am nächsten Tag haben wir damit begonnen die Umgebung zu entdecken. Die Stadt liegt auf einer flachen Talsohle und wird von drei Seiten durch Bergketten eingesäumt. Das Stadtbild zeigt eine angenehme Mischung aus alten, traditionellen Häusern und modernen Gebäuden, wobei fast gänzlich auf Hochhäuser verzichtet wird. Kyoto war über 1200 Jahre der Sitz des Kaisers und bietet eine Vielzahl an historischen Gebäuden, Palastanlagen, Gärten, Tempeln und Schreinen aus den verschiedenen Epochen, von denen einige zum UNESCO Weltkulturerbe gezählt werden. Eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt und Ziel unseres ersten Ausflugs war der Goldene Tempel Kinkaku-Ji Tempel.

 

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Goldener Tempel (Kinkaku-Ji)

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Sophia Sgura    Gina Krings      

 

Es ist absolut beeindruckend dieses leichtfüßig wirkende, im Pagodenstil gehaltene, komplett goldfarbene Gebäude inmitten einer Ruhe ausstrahlenden Garten- und Teichlandschaft gelegen, zu betrachten Im Rahmen des doch recht kurzen Kyoto-Aufenthaltes ist es uns bei mehreren Ausflügen gelungen die folgenden, besonders herausragenden Kulturdenkmäler zu besuchen:  Ryoan-Ji Tempel

 

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    Stein Garten ( Ryoan-Ji ) Tempel

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Fushimi-Inari Schrein

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Nijo Castle

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   Kennin-Ji Tempel

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Kodai-Ji Tempel

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Gäste aus Deutschland mit Gastgebern      

 

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Kodai-Ji Tempel

 

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Kiyomizu-dera Tempel

 

Trotz der unüberschaubaren Menge an Tempeln und Schreinen ist Kyoto durchaus eine moderne Stadt. Das perfekte Nahverkehrssystem Kyotos, bestehend aus U-Bahn, diversen Zuglinien und vielen Busstrecken, ermöglicht das mühelose Navigieren in der 1,6 Millionen Einwohner zählenden Metropole. Wir haben die Bürger Kyotos als sehr hilfsbereit, überaus freundlich und offen kennengelernt. Auf der Straße mischen sich die Gegensätze, sehr moderne und modische Japaner aller Altersstufen sind genauso selbstverständlich wie ältere Damen in traditionellen Kimonos und Holzschuhen oder die typischen Geschäftsleute im schwarzen Anzug. Auffällig ist die vorbildliche Sauberkeit von Straßen, öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen. Unser Aufenthalt fiel in den Beginn der legendären Kirschblüte (japanisch sakura). Die Flussufer und breiten Straßen sind gesäumt von Tausenden von Kirschbäumen mit einer überquellenden Pracht von Blüten. Die Einwohner feiern die Kirschblüte sogar mit speziellen Picknicks im Freien (japanisch hanami).

 

 

Natürlich galt unser Besuch des Honbu Dojos insbesondere dem Karate. Der Trainingsraum im Erdgeschoss des Hauses ist viel kleiner als erwartet. Dennoch ist die besondere Atmosphäre dieses Raumes, in dem seit über 60 Jahren eine Vielzahl von Karatekas ausgebildet wurden, überwältigend

Der ca. 12 m x 4 m messende Raum ist komplett mit Holzboden und –wänden ausgestattet. An den Wänden finden sich mehrere Kästen mit einer Vielzahl handbeschriebener Holztafeln, jeweils eine für jeden Schwarzgurtträger (Dan). Das Training findet außer sonntags täglich ab Nachmittag, in Altersgruppen gestaffelt, für jeweils 1,5 Stunden statt. Während unseres Aufenthaltes war die Trainingsfrequenz wegen des unmittelbar bevorstehenden jährlichen Inyoryu-Cup Wettkampfes gesteigert und mehrheitlich auf Freikampf (Kumite) ausgerichtet.

Das Training setzt sich traditionell aus Aufwärmübungen, Grundtechniken (Kihon), Partnerübungen (Sotai), Kata und Kumite zusammen. Bereits die Kleinsten zeigen großen Ehrgeiz, eine sehr gute Kondition und viel Trainingseifer. Dennoch haben die Kinder großen Spaß, da das Training durch eine Mischung von Erklärungen, Übungen, Wettkämpfen und Pausen abwechslungsreich aufgelockert wird. Die Trainer sind den Kindern immer zugewandt und gerne zu Scherzen aufgelegt. Wir haben unser ursprüngliches Bild von japanischem Drill, Leistungsdenken und Konditionierung schnell korrigiert. Es ist erstaunlich mit welcher Lockerheit und Umsicht der verhältnismäßig kleine Raum selbst für eine Schar von 30 Kindern zum Training genutzt wird.

 

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Gina ( Kumite )

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  Sophia       Gina     

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Sophia, Pietro, Maezono und Olaf

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                                                                                                   Erinnerungsfoto

In den Abendstunden trainieren die Erwachsenen, die 17jährige, absolut gelenkige und sehr dynamische Kaide auf der einen Seite und der 70jährige 6. Dan-Träger Sensei Maezono auf der anderen Seite. Grundsätzlich fällt auf, dass alle Karateka im Dojo technisch sehr versiert sind und sich mit einer für uns ungewohnten Schnelligkeit bewegen. Fußstöße werden scheinbar mühelos auf Kopfhöhe ausgeführt und wir konnten einige Kontertechniken mit gesprungenen Fauststößen beobachten. Das gemeinsame Dehnen ist fester Bestandteil des Trainings und zum Abschluss eines jeden Trainingstages wischen alle Schüler den Boden des Dojos.

Natürlich macht das Training hungrig und damit kommen wir zu einem weiteren Highlight unseres Kyoto-Besuches. Die japanische Küche bietet trotz der Dominanz von Reis eine extreme Vielfalt. Liebhaber von Fisch und anderen Meeresfrüchten kommen voll auf ihre Kosten. Fleischgerichte werden in einer breiten Palette häufig gegrillt zubereitet. Eine rein vegetarische Ernährung ist durch ein unüberschaubares Angebot von frisch zubereiteten oder sauer eingelegten Gemüsearten und diversen Sorten von Nudeln ebenso ohne Abstriche möglich. Die Speisen werden optisch immer sehr ansprechend und teils kunstvoll präsentiert. Das Auge freut sich genauso wie der Gaumen. Die Nutzung der obligatorischen Essstäbchen (japanisch hashi) ist für Ungeübte anfänglich recht mühsam, aber Suppen werden auch in Japan mit dem Löffel serviert. In der Innenstadt von Kyoto gibt es eine überdachte Fußgänger-Einkaufsstraße (Nishikikoji-dori) auf der über 250 Geschäfte, Restaurants und Straßenküchen jede erdenkbare kulinarische Köstlichkeit feilbieten. Alleine diese, auch Nishiki-Market genannte, Straße wäre mir eine Reise wert.

Ein sehr spirituelles Erlebnis war der Ausflug zu einem Wasserfall inmitten eines ausgedehnten Waldgebietes. An diesem Ort hat bereits Ryuso Seiji Hirayama trainiert, sich von der Natur inspirieren lassen und die Wichtigkeit der Elemente verinnerlicht. Wir durften im Karateanzug (japanisch dogi) im eiskalten Wasser des Bergflusses stehen um für einige Fotos als Andenken zu posieren. Wir haben die Stimmung des Waldes als geradezu mystisch empfunden, was bestimmt nicht an unseren tauben Füßen lag.

 

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Unser Besuch neigte sich dem Ende entgegen und zu unseren Ehren wurde an einem Abend der Trainingsraum zur Tafel umfunktioniert. Alle Trainer und eine Vielzahl von Kindern mit Eltern kamen zusammen um gemeinschaftlich zu speisen. Jeder brachte einige Köstlichkeiten mit und der lange, flache Tisch war übervoll mit Schüsseln, Tellern und Töpfen. Auf dem Boden sitzend wurde geschlemmt, geredet, gelacht und natürlich eine Menge von Erinnerungsfotos geknipst. Die Stimmung war sehr familiär und zeigte erneut den großen Zusammenhalt der Inyoryu-Gemein­schaft. Wir nahmen die Anwesenheit aller Personen, die uns den Aufenthalt so angenehm und herzlich gestaltet haben, zum Anlass, uns offiziell für die Einladung nach Kyoto und die erfahrene Gastfreundschaft zu bedanken.

Unsere Koffer, bei Ankunft prall gefüllt mit Mitbringseln und Gastgeschenken (japanisch omiyage) waren am Abreisetag mindestens genauso voll mit gekauften und geschenkten omiyage.

Viel wichtiger aber ist, dass unsere Herzen gefüllt sind mit tollen Erlebnissen, interessanten Begegnungen und bewegenden Momenten.

Wir werden bestimmt wieder kommen!

Domo Arigatou Gozaimasu (Vielen Dank)

 

Text: Olaf Müller

Fotos: © Pietro Sgura, Sophia Sgura, Gina Krings